Spielsucht erkennen – Die wichtigsten Symptome und Warnsignale
Erfahren Sie, wie Sie Spielsucht frühzeitig erkennen können. Welche Symptome und Warnsignale gibt es? Ein umfassender Leitfaden für Betroffene und Angehörige.

Spielsucht entwickelt sich meist schleichend und wird oft erst spät erkannt. Viele Betroffene verdrängen die Warnsignale lange Zeit, während Angehörige zunächst nicht verstehen, was vor sich geht. Dabei ist die Früherkennung von Glücksspielsucht entscheidend: Je früher das Problem erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
In diesem umfassenden Ratgeber erfahren Sie, welche Symptome auf eine Spielsucht hindeuten, wie sich die Erkrankung entwickelt und wann professionelle Hilfe nötig ist. Sowohl für Betroffene als auch für Angehörige bieten wir klare Orientierung und konkrete Handlungsempfehlungen.
Was ist Spielsucht? – Definition und Hintergrund
Spielsucht, medizinisch auch als pathologisches Glücksspiel oder Glücksspielstörung bezeichnet, ist eine anerkannte psychische Erkrankung. Im internationalen Klassifikationssystem ICD-11 wird sie den Verhaltenssüchten zugeordnet – ähnlich wie Internetsucht oder Kaufsucht.
Das zentrale Merkmal: Betroffene verlieren zunehmend die Kontrolle über ihr Spielverhalten. Was oft harmlos als Freizeitvergnügen beginnt, entwickelt sich zu einem zwanghaften Verhalten, das das gesamte Leben dominiert. Das Glücksspiel wird trotz massiver negativer Konsequenzen fortgesetzt.
Warum ist Früherkennung so wichtig?
Die Glücksspielsucht durchläuft typischerweise drei Phasen:
- Gewinnphase: Gelegentliches Spielen mit ersten größeren Gewinnen, gesteigertes Selbstvertrauen
- Verlustphase: Zunehmende Verluste, steigende Einsätze, erste negative Konsequenzen
- Verzweiflungsphase: Schwere finanzielle und soziale Probleme, Kontrollverlust, Verzweiflung
Je früher eine Spielsucht erkannt wird – idealerweise noch in der Gewinn- oder frühen Verlustphase – desto einfacher ist die Behandlung und desto geringer sind die Schäden.
Die 10 wichtigsten Warnsignale für Spielsucht
Experten haben klare Kriterien definiert, an denen sich eine Glücksspielsucht erkennen lässt. Wenn mehrere der folgenden Warnsignale über einen längeren Zeitraum (mindestens 12 Monate) auftreten, sollte professionelle Hilfe gesucht werden.
1. Ständiges Denken ans Spielen
Das Warnsignal: Gedanken kreisen ständig um das Glücksspiel – auch wenn gerade nicht gespielt wird. Betroffene planen die nächsten Spieleinsätze, erinnern sich an vergangene Gewinne oder überlegen, wie sie an Geld für das nächste Spiel kommen.
Warum es bedenklich ist: Das Glücksspiel wird zum zentralen Lebensinhalt. Andere Interessen, Hobbys und soziale Kontakte verlieren an Bedeutung. Die gedankliche Fixierung ist ein klares Zeichen für die Entwicklung einer Abhängigkeit.
Was Angehörige bemerken: Die Person wirkt oft abwesend, ist gedanklich nicht bei der Sache und zeigt wenig Interesse an Gesprächen oder gemeinsamen Aktivitäten.
2. Steigende Einsätze (Toleranzentwicklung)
Das Warnsignal: Um den gleichen Nervenkitzel zu erleben, müssen die Einsätze kontinuierlich erhöht werden. Was früher mit kleinen Beträgen funktionierte, reicht nicht mehr aus. Die Beträge werden immer höher.
Warum es bedenklich ist: Wie bei stoffgebundenen Süchten entwickelt sich auch bei der Spielsucht eine Toleranz. Das Gehirn gewöhnt sich an den Dopamin-Kick und benötigt immer stärkere Reize. Dies führt zu einem gefährlichen Teufelskreis steigender Einsätze und Verluste.
Beispiele: Vom 10-Euro-Automatenspiel zu 100-Euro-Einsätzen, vom Freizeitpoker zum High-Stakes-Spiel, vom Sportwetten-Einzeltipp zur Kombiwette mit hohen Einsätzen.
3. Erfolglose Kontrollversuche
Das Warnsignal: Wiederholt wird versucht, das Spielen zu kontrollieren, zu reduzieren oder ganz aufzuhören – ohne Erfolg. Die guten Vorsätze halten nicht lange. Nach kurzer Abstinenz wird wieder gespielt, oft noch intensiver als zuvor.
Warum es bedenklich ist: Die wiederholten erfolglosen Kontrollversuche sind ein Kernmerkmal jeder Suchterkrankung. Sie zeigen, dass die Person die Kontrolle verloren hat und nicht mehr aus eigener Kraft aufhören kann.
Typische Aussagen: “Das war das letzte Mal”, “Ab morgen höre ich auf”, “Nur noch dieses eine Spiel”, “Ich spiele nur noch am Wochenende”.
4. Unruhe und Reizbarkeit bei Spielpausen
Das Warnsignal: Wenn nicht gespielt werden kann, treten Unruhe, Nervosität, Gereiztheit oder sogar körperliche Entzugssymptome auf. Die Person ist angespannt und kann nicht abschalten, bis sie wieder spielen kann.
Warum es bedenklich ist: Diese Entzugserscheinungen zeigen, dass das Gehirn bereits eine starke Abhängigkeit entwickelt hat. Der Körper und die Psyche verlangen nach dem gewohnten Stimulus.
Was Angehörige bemerken: Stimmungsschwankungen, unerklärliche Gereiztheit, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen.
5. Spielen zur Flucht vor Problemen
Das Warnsignal: Das Glücksspiel wird genutzt, um vor negativen Gefühlen, Stress, Problemen oder Konflikten zu fliehen. Es dient als Bewältigungsstrategie für Angst, Depression, Einsamkeit oder Langeweile.
Warum es bedenklich ist: Wenn das Spielen zur emotionalen Regulation missbraucht wird, verstärkt sich die psychische Abhängigkeit. Die eigentlichen Probleme werden nicht gelöst, sondern durch das Spielen oft noch verschlimmert.
Typische Situationen: Nach Streit mit dem Partner, bei Stress im Job, bei Geldsorgen (paradoxerweise), bei Einsamkeit oder depressiven Verstimmungen.
6. Lügen und Verheimlichen
Das Warnsignal: Betroffene lügen Angehörige, Freunde oder Arbeitskollegen über ihr Spielverhalten an. Sie verheimlichen, wie oft und wie viel sie spielen, erfinden Ausreden für Geldmangel oder Abwesenheiten.
Warum es bedenklich ist: Das Lügen zeigt, dass die Person sich des Problems bewusst ist, es aber nicht zugeben kann oder will. Zudem führt es zu sozialem Rückzug und Isolation, was die Sucht weiter verstärkt.
Beispiele: “Ich war mit Freunden unterwegs” (statt in der Spielhalle), “Das Geld habe ich für etwas anderes ausgegeben”, “Ich spiele nur ganz selten”.
7. Finanzielle Probleme und Geldbeschaffung
Das Warnsignal: Es treten zunehmende finanzielle Schwierigkeiten auf. Betroffene leihen sich Geld von Familie und Freunden, nehmen Kredite auf, verkaufen Wertgegenstände oder greifen auf illegale Mittel zurück.
Warum es bedenklich ist: Die finanziellen Folgen der Spielsucht sind oft verheerend. Schulden häufen sich, Rechnungen können nicht bezahlt werden, und in schweren Fällen drohen Privatinsolvenz, Wohnungsverlust oder Straftaten.
Warnsignale für Angehörige: Unbezahlte Rechnungen, Mahnungen, häufige Geldanfragen, verschwundene Wertgegenstände, unerklärliche Schulden.
8. Vernachlässigung von Pflichten und Beziehungen
Das Warnsignal: Berufliche, schulische oder familiäre Verpflichtungen werden vernachlässigt. Betroffene kommen zu spät zur Arbeit, fehlen unentschuldigt, vergessen wichtige Termine oder ziehen sich von Familie und Freunden zurück.
Warum es bedenklich ist: Das Glücksspiel übernimmt die Priorität im Leben. Alles andere wird diesem untergeordnet. Dies führt zu schwerwiegenden Problemen in allen Lebensbereichen.
Konkrete Anzeichen: Leistungsabfall im Job, Kündigung, Schulprobleme bei Jugendlichen, Vergessen von Geburtstagen oder wichtigen Ereignissen, Rückzug aus sozialen Aktivitäten.
9. Jagd nach Verlusten (Chasing)
Das Warnsignal: Nach Verlusten wird sofort weitergespielt oder am nächsten Tag erneut gespielt, um die Verluste wieder hereinzuholen. Dies ist eines der gefährlichsten Verhaltensmuster der Spielsucht.
Warum es bedenklich ist: Die “Jagd nach Verlusten” führt in eine Abwärtsspirale. Meist werden nicht nur die Verluste nicht ausgeglichen, sondern die Situation verschlimmert sich weiter. Dennoch können Betroffene nicht widerstehen.
Typische Gedanken: “Ich muss das Geld zurückgewinnen”, “Gleich kommt der große Gewinn”, “Ich kann nicht aufhören, solange ich im Minus bin”.
10. Risiko oder Verlust wichtiger Beziehungen und Chancen
Das Warnsignal: Beziehungen zerbrechen, Jobs werden verloren, Ausbildungen abgebrochen oder wichtige Lebensziele aufgegeben – alles wegen des Glücksspiels.
Warum es bedenklich ist: Dies zeigt, dass die Sucht bereits schwere Schäden angerichtet hat. Es ist oft der Punkt, an dem Betroffene oder Angehörige realisieren, dass professionelle Hilfe dringend nötig ist.
Beispiele: Scheidung, Beziehungsprobleme, Jobverlust, Studienabbruch, Kontaktabbruch zu Freunden und Familie.
Selbsttest: Könnte ich spielsüchtig sein?
Beantworten Sie die folgenden Fragen ehrlich mit Ja oder Nein:
- Denken Sie häufig ans Glücksspiel, auch wenn Sie gerade nicht spielen?
- Müssen Sie mit immer höheren Einsätzen spielen, um die gewünschte Aufregung zu erleben?
- Haben Sie wiederholt erfolglos versucht, Ihr Spielen zu kontrollieren oder aufzuhören?
- Werden Sie unruhig oder gereizt, wenn Sie nicht spielen können?
- Nutzen Sie das Spielen, um vor Problemen oder negativen Gefühlen zu fliehen?
- Versuchen Sie nach Verlusten am nächsten Tag weiterzuspielen, um Verluste auszugleichen?
- Haben Sie Angehörige oder andere über das Ausmaß Ihres Spielens belogen?
- Haben Sie wegen des Spielens eine wichtige Beziehung, einen Job oder eine Chance gefährdet oder verloren?
- Haben Sie sich Geld von anderen geliehen, um finanzielle Probleme durch Glücksspiel zu lösen?
Auswertung:
- 0-2 Ja-Antworten: Aktuell kein Hinweis auf problematisches Spielverhalten, aber bleiben Sie achtsam
- 3-4 Ja-Antworten: Warnsignale für problematisches Spielverhalten – Sie sollten Ihr Verhalten kritisch beobachten
- 5 oder mehr Ja-Antworten: Starke Hinweise auf eine Glücksspielsucht – suchen Sie professionelle Hilfe
Wichtig: Dieser Test ersetzt keine professionelle Diagnose, kann aber erste Orientierung geben.
Spielsucht bei anderen erkennen – Hinweise für Angehörige
Angehörige bemerken oft früher als die Betroffenen selbst, dass etwas nicht stimmt. Folgende Verhaltensänderungen sollten Sie aufmerksam machen:
Verhaltensauffälligkeiten
- Häufige und lange Abwesenheiten ohne plausible Erklärung
- Heimlichtuerei, verschlossenes Verhalten
- Stimmungsschwankungen zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit
- Sozialer Rückzug, Vernachlässigung von Freunden und Familie
- Konzentrationsschwierigkeiten, Desinteresse an bisherigen Hobbys
Finanzielle Warnsignale
- Häufige Geldanfragen ohne nachvollziehbaren Grund
- Unbezahlte Rechnungen, Mahnungen
- Verschwundene Wertgegenstände
- Heimliches Geldabheben
- Unerklärliche Schulden
Emotionale Anzeichen
- Gereiztheit, Aggressivität
- Depressive Verstimmungen
- Schuld- und Schamgefühle
- Schlafstörungen
- Suizidgedanken in schweren Fällen
Was tun bei Verdacht auf Spielsucht?
Für Betroffene
Wenn Sie mehrere Warnsignale bei sich erkennen, ist der nächste Schritt entscheidend. In unserem ausführlichen Artikel über Spielsucht Therapie und Behandlungsmöglichkeiten erfahren Sie alle Details zu verfügbaren Hilfsangeboten.
- Ehrliche Selbstreflexion: Gestehen Sie sich das Problem ein
- Suchen Sie Unterstützung: Sprechen Sie mit einer Vertrauensperson
- Professionelle Hilfe: Kontaktieren Sie eine Beratungsstelle
- BZgA-Beratungshotline: 0800 1 37 27 00 (kostenlos, anonym)
- Suchtberatungsstellen vor Ort
- Therapeuten mit Sucht-Schwerpunkt
- Sofortmaßnahmen: Nutzen Sie Selbstsperren (OASIS, Spielhallen)
- Finanzielle Absicherung: Geben Sie Bankzugang an Vertrauensperson ab
Für Angehörige
- Ruhiges Gespräch: Sprechen Sie das Problem ohne Vorwürfe an
- Informieren Sie sich: Verstehen Sie die Erkrankung besser
- Grenzen setzen: Übernehmen Sie keine Spielschulden
- Hilfe anbieten: Unterstützen Sie bei der Suche nach professioneller Hilfe
- Selbstschutz: Holen Sie sich selbst Unterstützung (Angehörigen-Gruppen)
Wie wird Spielsucht diagnostiziert?
Eine professionelle Diagnose erfolgt durch Psychotherapeuten, Psychiater oder Suchtberatungsstellen anhand der ICD-11-Kriterien. Voraussetzung ist:
- Mindestens 5 der Diagnosekriterien müssen erfüllt sein
- Die Symptome bestehen seit mindestens 12 Monaten
- Das Spielverhalten führt zu erheblicher Beeinträchtigung
Für die Diagnose werden strukturierte Interviews und standardisierte Fragebögen eingesetzt, zum Beispiel der Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (KFG) oder der South Oaks Gambling Screen (SOGS).
Häufig gestellte Fragen
Kann man von Online-Glücksspiel schneller süchtig werden als von Spielhallen?
Ja, Online-Glücksspiel birgt ein höheres Suchtrisiko. Die ständige Verfügbarkeit, die Anonymität, die hohe Spielgeschwindigkeit und die Illusion der Kontrolle verstärken das Suchtpotenzial erheblich.
Sind bestimmte Menschen anfälliger für Spielsucht?
Ja, Risikofaktoren sind: genetische Veranlagung zu Suchterkrankungen, psychische Vorerkrankungen (Depression, Angststörungen), früher Erstkontakt mit Glücksspiel, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (Impulsivität, Sensationssuche), soziales Umfeld mit Glücksspiel.
Kann man trotz Spielsucht noch gelegentlich spielen?
Nein, ähnlich wie bei Alkoholsucht ist in der Regel lebenslange Abstinenz vom Glücksspiel erforderlich. Kontrolliertes Spielen ist für die meisten Betroffenen nicht möglich und führt fast immer zum Rückfall.
Ist Spielsucht heilbar?
Spielsucht ist eine chronische Erkrankung, die jedoch gut behandelbar ist. Mit professioneller Therapie können Betroffene lernen, dauerhaft spielfrei zu leben. Die Rückfallgefahr bleibt jedoch bestehen, weshalb langfristige Nachsorge wichtig ist.
Zusammenfassung und nächste Schritte
Spielsucht ist eine ernsthafte Erkrankung, die sich meist schleichend entwickelt. Die Früherkennung ist entscheidend für erfolgreiche Behandlung. Wenn Sie mehrere der beschriebenen Warnsignale bei sich oder einem Angehörigen bemerken, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Spielsucht zeigt sich durch charakteristische Symptome wie Kontrollverlust, steigende Einsätze und Verheimlichen
- Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser die Behandlungschancen
- Sowohl Betroffene als auch Angehörige sollten Warnsignale ernst nehmen
- Professionelle Hilfe ist verfügbar, vertraulich und in Deutschland meist kostenlos
Notfall-Kontakte:
- BZgA-Beratungshotline: 0800 1 37 27 00 (kostenlos, anonym, Mo-Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-18 Uhr)
- Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (24/7, kostenlos, anonym)
Sie sind nicht allein. Spielsucht ist eine behandelbare Erkrankung, und mit dem richtigen Schritt können Sie oder Ihre Angehörigen den Weg in ein spielfreies Leben finden.

