Verhaltenstherapie bei Spielsucht – Wie kognitive Therapie hilft
Erfahren Sie, wie Verhaltenstherapie bei Spielsucht wirkt, welche Methoden eingesetzt werden und warum sie als besonders wirksam gilt. Mit konkreten Ablauf-Informationen und Erfolgschancen.

Was ist Verhaltenstherapie bei Spielsucht?
Verhaltenstherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), gilt als die wirksamste psychotherapeutische Behandlungsmethode bei Glücksspielsucht. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass problematisches Spielverhalten durch erlernte Denk- und Verhaltensmuster aufrechterhalten wird – und dass diese Muster auch wieder verlernt werden können.
Bei der Verhaltenstherapie arbeiten Sie gemeinsam mit einem qualifizierten Psychotherapeuten daran, die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu verstehen und zu verändern, die zu Ihrem Spielverhalten führen. Der Fokus liegt dabei auf dem Hier und Jetzt sowie auf praktischen, umsetzbaren Strategien.
Warum ist Verhaltenstherapie bei Spielsucht so wirksam?
Studien zeigen durchweg, dass kognitive Verhaltenstherapie die höchsten Erfolgsraten bei der Behandlung von pathologischem Glücksspiel aufweist. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Wissenschaftlich fundiert: Die Wirksamkeit ist durch zahlreiche Studien belegt. Verhaltenstherapie basiert auf psychologischen Erkenntnissen über Suchtverhalten und Lernprozesse.
Konkret und praxisnah: Anders als bei manchen anderen Therapieformen geht es nicht primär um tiefenpsychologische Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern um konkrete Veränderungen im Alltag.
Strukturiert und zielorientiert: Die Therapie folgt einem klaren roten Faden mit messbaren Zielen. Das gibt Orientierung und macht Fortschritte sichtbar.
Langfristige Werkzeuge: Sie erlernen Techniken und Strategien, die Sie auch nach Therapieende selbstständig anwenden können.
Wie läuft eine Verhaltenstherapie bei Spielsucht ab?
Eine Verhaltenstherapie bei Spielsucht durchläuft typischerweise mehrere Phasen:
1. Motivations- und Diagnostikphase
In den ersten Sitzungen geht es darum, Ihre Motivation zu klären und eine vertrauensvolle Therapeutenbeziehung aufzubauen. Der Therapeut erhebt eine ausführliche Anamnese:
- Wann und wie hat die Spielsucht begonnen?
- Welche Glücksspiele bevorzugen Sie?
- Wie häufig und intensiv spielen Sie?
- Welche Folgen hat das Spielen bereits?
- Was sind Ihre persönlichen Auslöser und Risikosituationen?
Gemeinsam entwickeln Sie ein individuelles Störungsmodell: Welche Gedanken, Gefühle und Situationen führen zum Spielimpuls, und wie verstärkt sich das Verhalten?
2. Zielsetzung und Behandlungsplanung
Auf Basis der Diagnostik legen Sie gemeinsam konkrete, realistische Therapieziele fest. Für die meisten Betroffenen ist das Ziel völlige Abstinenz vom Glücksspiel. Gleichzeitig werden oft weitere Ziele formuliert:
- Schuldenregulierung
- Verbesserung familiärer Beziehungen
- Aufbau alternativer Freizeitaktivitäten
- Behandlung begleitender psychischer Probleme (Depressionen, Ängste)
3. Aktive Behandlungsphase
Dies ist der Kern der Therapie. Hier kommen verschiedene verhaltenstherapeutische Methoden zum Einsatz:
Kognitive Umstrukturierung: Sie lernen, spielbezogene Denkfehler zu erkennen und zu korrigieren. Typische irrationale Überzeugungen bei Spielsucht sind:
- “Ich bin kurz davor, den großen Gewinn zu machen”
- “Ich habe ein besonderes System oder Glück”
- “Nach einer Verlustserie kommt bestimmt ein Gewinn”
- “Spielen hilft mir, meine Probleme zu vergessen”
In der Therapie lernen Sie, diese Gedanken kritisch zu hinterfragen und durch realistische Überzeugungen zu ersetzen.
Rückfallprävention: Ein zentraler Baustein ist das Erkennen von Hochrisikosituationen und das Entwickeln von Bewältigungsstrategien. Sie erstellen einen persönlichen Notfallplan für Spielimpulse und lernen, Frühwarnsignale zu erkennen.
Problemlösetraining: Viele Betroffene spielen, um vor Problemen zu fliehen. In der Therapie erlernen Sie strukturierte Problemlösefertigkeiten, um Schwierigkeiten direkt anzugehen statt sie durch Spielen zu vermeiden.
Emotionsregulation: Sie entwickeln gesunde Strategien zum Umgang mit belastenden Gefühlen wie Stress, Langeweile, Frust oder Einsamkeit – Emotionen, die oft als Spielauslöser fungieren.
Stimuluskontrolle: Praktische Maßnahmen zur Reduktion von Versuchungen, zum Beispiel Selbstsperren, Vermeidung bestimmter Orte, Einschränkung des Geldzugangs.
Aufbau alternativer Aktivitäten: Ein Leben ohne Glücksspiel braucht erfüllende Alternativen. Gemeinsam entwickeln Sie neue Interessen, Hobbys und soziale Kontakte.
4. Stabilisierung und Nachsorge
Gegen Ende der Therapie geht es um die Festigung der Erfolge und die Vorbereitung auf die Zeit danach. Wichtige Themen sind:
- Umgang mit möglichen Rückfällen
- Langfristige Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz
- Einbindung von Selbsthilfegruppen
- Nachsorgetermine zur Stabilisierung
Welche Therapieformate gibt es?
Verhaltenstherapie bei Spielsucht kann in verschiedenen Settings durchgeführt werden:
Ambulante Einzeltherapie
Die häufigste Form: Sie besuchen Ihren Therapeuten regelmäßig (meist wöchentlich) in dessen Praxis. Eine Sitzung dauert 50 Minuten. Vorteil ist, dass Sie in Ihrem gewohnten Umfeld bleiben und das Gelernte direkt im Alltag anwenden können.
Ambulante Gruppentherapie
In einer Therapiegruppe mit anderen Betroffenen. Der Austausch mit Menschen in ähnlichen Situationen wird oft als sehr unterstützend erlebt. Zudem können Sie voneinander lernen und sich gegenseitig motivieren.
Stationäre oder teilstationäre Therapie
Bei schwerer ausgeprägter Spielsucht, hoher Verschuldung oder wenn ambulante Versuche gescheitert sind, kann ein stationärer Aufenthalt in einer Suchtklinik sinnvoll sein. Detaillierte Informationen zu diesem Therapieformat finden Sie in unserem Artikel über stationäre Therapie bei Spielsucht. Hier findet die Verhaltenstherapie eingebettet in ein Gesamtbehandlungskonzept statt, meist in Kombination von Einzel- und Gruppentherapie.
Online-Therapie
Zunehmend werden auch Online-Therapieprogramme angeboten, die verhaltenstherapeutische Prinzipien nutzen. Diese können eine niedrigschwellige Ergänzung sein, ersetzen aber bei ausgeprägter Spielsucht keine persönliche Therapie.
Wie lange dauert die Therapie?
Die Dauer einer Verhaltenstherapie bei Spielsucht hängt vom individuellen Fall ab:
Ambulante Kurzzeittherapie: 25 Sitzungen (etwa 6 Monate) – geeignet bei leichteren Formen oder als Einstieg
Ambulante Langzeittherapie: 45-60 Sitzungen (9-15 Monate) – bei ausgeprägter Spielsucht und komplexeren Problemen
Stationäre Therapie: 8-12 Wochen intensive Behandlung, gefolgt von ambulanter Nachsorge
Wichtig: Die Genesung endet nicht mit dem letzten Therapietermin. Nachsorge, Selbsthilfegruppen und kontinuierliche Selbstfürsorge sind entscheidend für dauerhaften Erfolg.
Erfolgschancen und Studienlage
Die Forschung zur Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei Spielsucht ist ermutigend:
- Etwa 60-70% der Teilnehmer reduzieren ihr Spielverhalten deutlich oder stellen es ganz ein
- Kognitive Verhaltenstherapie schneidet besser ab als andere Therapieformen oder keine Behandlung
- Kombinationen aus Einzel- und Gruppentherapie zeigen besonders gute Ergebnisse
- Die Einbeziehung von Angehörigen verbessert die Erfolgsrate
Allerdings: Die Rückfallgefahr bleibt bestehen. Deshalb sind langfristige Nachsorge und die konsequente Anwendung der erlernten Strategien so wichtig.
Was unterscheidet Verhaltenstherapie von anderen Ansätzen?
Im Unterschied zu tiefenpsychologischen Verfahren, die nach unbewussten Ursachen in der Kindheit suchen, fokussiert sich Verhaltenstherapie auf das Hier und Jetzt. Die Vergangenheit wird nur insoweit berücksichtigt, als sie zum Verständnis aktueller Muster beiträgt.
Im Vergleich zu reinen Beratungsangeboten ist Verhaltenstherapie strukturierter und geht tiefer. Sie verändert nicht nur das Verhalten, sondern auch die zugrundeliegenden Denkmuster.
Gegenüber medikamentösen Ansätzen (die bei Spielsucht ohnehin selten sind) hat Verhaltenstherapie den Vorteil, dass Sie nachhaltige Fähigkeiten erwerben statt nur Symptome zu unterdrücken.
Wie finde ich einen geeigneten Verhaltenstherapeuten?
Nicht jeder Psychotherapeut ist auf Suchterkrankungen spezialisiert. Achten Sie auf folgende Punkte:
Qualifikation: Approbierter Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie und idealerweise Zusatzqualifikation in Suchttherapie
Erfahrung: Fragen Sie nach Erfahrung mit Glücksspielsucht – nicht jeder Suchttherapeut ist mit diesem spezifischen Thema vertraut
Kassenplatz: Wenn die Krankenkasse zahlen soll, muss der Therapeut eine Kassenzulassung haben
Hilfe bei der Suche bieten:
- Suchtberatungsstellen (können oft direkt vermitteln)
- Psychotherapeuten-Suchportale der Kassenärztlichen Vereinigungen
- Telefonische Terminservicestellen (116 117)
Kombination mit anderen Hilfen
Verhaltenstherapie entfaltet ihre volle Wirkung oft in Kombination mit anderen Unterstützungsangeboten:
Suchtberatung: Kann parallel laufen und hilft bei praktischen Fragen (Schuldenregulierung, Selbstsperren, Sozialrecht)
Selbsthilfegruppen: Ergänzen die Einzeltherapie perfekt durch regelmäßigen Austausch und langfristige Stabilisierung
Angehörigenarbeit: Die Einbeziehung von Partner oder Familie kann die Therapie deutlich erfolgreicher machen
Schuldnerberatung: Bei finanziellen Problemen parallel zur Therapie
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie
Damit Verhaltenstherapie wirkt, sind einige Voraussetzungen hilfreich:
Eigenmotivation: Sie sollten selbst den Wunsch haben aufzuhören – nicht nur auf Druck von außen
Bereitschaft zur Veränderung: Therapie bedeutet Arbeit an sich selbst und das Verlassen der Komfortzone
Abstinenz: Während der Therapie sollten Sie kein Glücksspiel betreiben, sonst können neue Muster nicht etabliert werden
Offenheit: Ehrlichkeit sich selbst und dem Therapeuten gegenüber ist entscheidend
Geduld: Veränderung braucht Zeit – erwarten Sie keine Wunder über Nacht
Erste Schritte zur Verhaltenstherapie
Wenn Sie eine Verhaltenstherapie beginnen möchten, gehen Sie so vor:
Informationsgespräch bei einer Suchtberatungsstelle: Dort erhalten Sie Orientierung, Unterstützung bei der Therapeutensuche und Hilfe beim Antrag auf Kostenübernahme
Therapeutensuche: Kontaktieren Sie mehrere Therapeuten und vereinbaren Sie Erstgespräche. Die “Chemie” zwischen Ihnen und dem Therapeuten ist wichtig
Probatorische Sitzungen: Die ersten 2-4 Sitzungen dienen dem gegenseitigen Kennenlernen. Danach entscheiden Sie gemeinsam, ob Sie die Therapie fortsetzen
Antrag auf Kostenübernahme: Der Therapeut erstellt einen Bericht, den Sie bei Ihrer Krankenkasse einreichen. Die Beratungsstelle kann hierbei helfen
Therapiebeginn: Nach Genehmigung durch die Kasse (meist innerhalb von 3-5 Wochen) kann die reguläre Therapie starten
Fazit: Verhaltenstherapie als Weg aus der Spielsucht
Kognitive Verhaltenstherapie ist die am besten erforschte und wirksamste Behandlungsmethode bei Spielsucht. Sie bietet konkrete, praxisnahe Strategien, um aus dem Teufelskreis der Glücksspielsucht auszubrechen und ein selbstbestimmtes Leben ohne Spielen zu führen.
Der Weg ist nicht immer leicht und erfordert Geduld, Engagement und die Bereitschaft, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Doch die Investition lohnt sich: Mit professioneller Unterstützung durch Verhaltenstherapie haben Sie realistische Chancen, die Kontrolle über Ihr Leben zurückzugewinnen.
Wenn Sie selbst betroffen sind oder sich um einen nahestehenden Menschen sorgen: Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der erste Schritt ist oft der schwerste – aber er kann der Beginn eines neuen, freien Lebens sein.
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