Co-Abhängigkeit bei Spielsucht – Wenn Angehörige mitleiden und mitermöglichen
Co-Abhängigkeit bei Spielsucht belastet Angehörige schwer. Erkennen Sie die Warnsignale, verstehen Sie die Dynamik und lernen Sie, wie Sie sich und dem Betroffenen wirklich helfen können.

Wenn ein Mensch, den Sie lieben, spielsüchtig ist, leiden Sie mit. Sie machen sich Sorgen, verlieren den Schlaf, versuchen zu helfen – und merken vielleicht nicht, dass Sie dabei in ein Muster geraten, das die Sucht sogar aufrechterhält. Co-Abhängigkeit bei Spielsucht ist ein wenig beachtetes, aber weit verbreitetes Phänomen, das Angehörige genauso sehr belasten kann wie die Sucht selbst.
In diesem Ratgeber erfahren Sie, was Co-Abhängigkeit bedeutet, wie sie entsteht, woran Sie sie erkennen und vor allem: Wie Sie aus dieser belastenden Dynamik ausbrechen können, um sich selbst und dem Betroffenen wirklich zu helfen.
Was ist Co-Abhängigkeit bei Spielsucht?
Co-Abhängigkeit ist ein Begriff aus der Suchtforschung, der ursprünglich im Kontext von Alkoholsucht geprägt wurde. Er beschreibt ein Verhaltensmuster, bei dem Angehörige eines Suchtkranken dessen Sucht – oft unbeabsichtigt – unterstützen, während sie selbst unter der Situation massiv leiden.
Die Kernmerkmale von Co-Abhängigkeit
Übernahme von Verantwortung: Sie fühlen sich verantwortlich für das Spielverhalten des Betroffenen und versuchen, dessen Leben zu kontrollieren oder zu “reparieren”.
Ermöglichendes Verhalten (Enabling): Durch gut gemeinte Handlungen – wie das Abzahlen von Schulden oder das Lügen gegenüber Dritten – schaffen Sie unbewusst Bedingungen, die das Weiterspielen ermöglichen.
Vernachlässigung eigener Bedürfnisse: Ihre eigenen Wünsche, Gefühle und Ihr Wohlbefinden rücken in den Hintergrund. Das Leben des Süchtigen wird zum Zentrum Ihres eigenen Lebens.
Emotionale Verstrickung: Sie schwanken zwischen extremen Emotionen: Wut, Mitleid, Hoffnung, Verzweiflung, Schuldgefühle. Ihr emotionales Befinden hängt vollständig vom Zustand des Betroffenen ab.
Kontrollversuche: Sie versuchen, das Spielverhalten durch Überwachung, Kontrolle der Finanzen oder emotionale Appelle zu stoppen – meist erfolglos.
Co-Abhängigkeit ist keine Schwäche
Wichtig zu verstehen: Co-Abhängigkeit ist keine persönliche Schwäche oder ein Charakterfehler. Sie entwickelt sich aus dem menschlichen Bedürfnis, einen geliebten Menschen zu schützen und zu helfen. Viele co-abhängige Angehörige sind überaus fürsorgliche, verantwortungsbewusste Menschen, die in einer extrem belastenden Situation ihr Bestes versuchen.
Das Problem: Was kurzfristig hilft, schadet langfristig – sowohl dem Süchtigen als auch Ihnen selbst.
Wie entsteht Co-Abhängigkeit? – Die schleichende Entwicklung
Co-Abhängigkeit entwickelt sich meist schrittweise und schleichend. Selten passiert sie über Nacht. Verstehen Sie die typischen Phasen:
Phase 1: Erste Hilfsversuche
Situation: Sie bemerken finanzielle Probleme, seltsames Verhalten, Stimmungsschwankungen beim Betroffenen. Vielleicht gesteht dieser Ihnen, dass er Geld verspielt hat.
Ihre Reaktion: Sie sind besorgt und möchten helfen. Sie zahlen vielleicht einmalig Schulden ab, leihen Geld oder übernehmen Rechnungen. Sie denken: “Das war ein Ausrutscher, jetzt wird alles besser.”
Wirkung: Der Betroffene erfährt keine natürlichen Konsequenzen seines Verhaltens. Die finanziellen Probleme verschwinden kurzfristig. Das Spielen geht weiter.
Phase 2: Eskalation und verstärktes Eingreifen
Situation: Das Spielverhalten intensiviert sich. Die Schulden wachsen. Lügen häufen sich. Konflikte nehmen zu.
Ihre Reaktion: Sie versuchen, die Kontrolle zu übernehmen. Sie verwalten die Finanzen, kontrollieren das Konto, begleiten den Partner überall hin. Sie rechtfertigen sein Verhalten vor anderen (“Er ist nur gestresst”, “Es ist eine schwere Zeit”).
Wirkung: Sie übernehmen immer mehr Verantwortung. Der Betroffene verliert die Verantwortung für sein Handeln. Die Sucht wird zum Zentrum Ihrer beider Leben.
Phase 3: Chronische Co-Abhängigkeit
Situation: Das gesamte Familienleben dreht sich um die Spielsucht. Finanzielle Krisen sind an der Tagesordnung. Die emotionale Belastung ist extrem.
Ihre Reaktion: Sie fühlen sich gefangen. Gleichzeitig können Sie nicht loslassen. Sie schwanken zwischen dem Wunsch zu gehen und der Hoffnung, dass sich doch noch etwas ändert. Sie isolieren sich sozial, weil Sie sich schämen. Ihre eigene Gesundheit leidet.
Wirkung: Sie sind in einem destruktiven Muster gefangen. Der Betroffene hat keine Motivation zur Veränderung, weil Sie die Konsequenzen auffangen. Sie beide leiden – ohne dass sich etwas verbessert.
Warnsignale: Bin ich co-abhängig?
Co-Abhängigkeit zu erkennen ist der erste Schritt zur Veränderung. Prüfen Sie ehrlich, ob mehrere der folgenden Verhaltensweisen auf Sie zutreffen:
Finanzielle Verstrickung
Sie zahlen wiederholt Spielschulden ab:
- Sie begleichen Schulden beim Vermieter, Stromanbieter, bei Kreditgebern
- Sie leihen dem Betroffenen immer wieder Geld
- Sie übernehmen Rechnungen, die er nicht bezahlen kann
- Sie denken: “Dieses eine Mal noch, dann ist Schluss”
Sie kontrollieren die Finanzen vollständig:
- Der Betroffene hat keinen eigenen Zugriff auf Geld
- Sie geben ihm nur kleine Beträge
- Sie überprüfen ständig Kontobewegungen
- Sie verstecken Kreditkarten und Bargeld
Emotionale Verstrickung
Ihr Wohlbefinden hängt vom Zustand des Betroffenen ab:
- Wenn er gut gelaunt ist, geht es Ihnen gut
- Wenn er niedergeschlagen ist, leiden Sie mit
- Sie können nicht mehr unterscheiden, wo Ihre Gefühle enden und seine beginnen
- Sie fühlen sich verantwortlich für sein Glück
Sie vernachlässigen eigene Bedürfnisse:
- Ihre Hobbys, Freunde, Interessen werden unwichtig
- Sie stellen Ihre Wünsche komplett zurück
- Sie denken: “Meine Probleme sind nicht so wichtig”
- Sie funktionieren nur noch, leben aber nicht mehr
Ermöglichendes Verhalten
Sie lügen für den Betroffenen:
- Sie erfinden Ausreden für sein Verhalten
- Sie rechtfertigen Fehltage beim Arbeitgeber
- Sie verheimlichen die Situation vor Familie und Freunden
- Sie beschönigen die Lage vor sich selbst
Sie schützen ihn vor Konsequenzen:
- Sie regeln seine Probleme
- Sie sprechen für ihn mit Gläubigern
- Sie übernehmen seine Verpflichtungen
- Sie verhindern, dass er die Realität seiner Situation erfährt
Kontroll- und Rettungsversuche
Sie versuchen ständig, die Situation zu kontrollieren:
- Sie überwachen sein Verhalten
- Sie suchen nach Beweisen für Spielen
- Sie kontrollieren sein Handy, seine Wege, seine Zeit
- Sie glauben: “Wenn ich nur genug aufpasse, kann ich es verhindern”
Sie sehen sich als Retter:
- Sie denken: “Ohne mich würde er komplett untergehen”
- Sie fühlen sich unverzichtbar
- Sie haben Angst, was passiert, wenn Sie nicht mehr helfen
- Sie definieren sich über Ihre Helferrolle
Soziale Isolation und Scham
Sie ziehen sich zurück:
- Sie treffen Freunde seltener
- Sie laden niemanden mehr nach Hause ein
- Sie schämen sich für die Situation
- Sie haben niemanden, mit dem Sie offen sprechen können
Sie schützen das Familiengeheimnis:
- Nach außen hin muss alles perfekt wirken
- Sie verheimlichen finanzielle Probleme
- Sie sprechen mit niemandem über Ihre Belastung
- Sie tragen alles alleine
Körperliche und psychische Symptome
Ihre Gesundheit leidet:
- Schlafstörungen, Erschöpfung
- Kopfschmerzen, Magenbeschwerden
- Angstzustände, Depressionen
- Gefühl der Hoffnungslosigkeit
- Reizbarkeit, emotionale Erschöpfung
Sie haben das Gefühl, verrückt zu werden:
- Sie zweifeln an Ihrer Wahrnehmung
- Sie wissen nicht mehr, was normal ist
- Sie fühlen sich wie im Hamsterrad
- Sie sehen keinen Ausweg
Wenn Sie bei mehreren Punkten nicken mussten, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie in einer co-abhängigen Beziehung leben.
Die Dynamik der Co-Abhängigkeit: Warum gut gemeint oft schadet
Co-Abhängigkeit funktioniert nach bestimmten psychologischen Mechanismen, die beide Partner in einem destruktiven Kreislauf gefangen halten.
Das Rettungsmuster
Ihre Überzeugung: “Ich muss ihn retten. Ohne meine Hilfe geht er unter.”
Die Realität: Indem Sie die Konsequenzen des Spielens abfedern, nehmen Sie dem Betroffenen die Motivation zur Veränderung. Solange seine Grundbedürfnisse (Wohnung, Essen, soziale Einbindung) trotz Spielsucht gesichert sind, fehlt der Leidensdruck, der oft notwendig ist, um Hilfe zu suchen.
Das Paradoxon: Je mehr Sie helfen, desto weniger muss er sich selbst helfen. Ihre Liebe wird ungewollt zum Ermöglicher der Sucht.
Das Kontrollmuster
Ihre Überzeugung: “Wenn ich seine Finanzen kontrolliere, kann er nicht mehr spielen.”
Die Realität: Spielsucht ist eine psychische Erkrankung, keine Frage mangelnder Kontrolle von außen. Betroffene finden Wege zu spielen – sie leihen sich Geld, verkaufen Dinge, gehen heimlich zur Bank. Ihre Kontrollversuche führen zu Machtkämpfen, Lügen und Vertrauensverlust, ändern aber nichts am Suchtverhalten.
Das Resultat: Sie erschöpfen sich in einem aussichtslosen Kampf. Der Betroffene fühlt sich bevormundet und rebelliert. Die Beziehung leidet zusätzlich.
Das Verantwortungsmuster
Ihre Überzeugung: “Ich bin mitverantwortlich für sein Spielen. Ich hätte besser aufpassen müssen.”
Die Realität: Sie sind nicht verantwortlich für die Sucht eines anderen Menschen. Spielsucht entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel neurobiologischer, psychologischer und sozialer Faktoren. Sie können sie weder verursachen noch verhindern oder heilen.
Die Gefahr: Schuldgefühle halten Sie in der co-abhängigen Rolle. Sie denken: “Wenn ich jetzt aufhöre zu helfen, passiert etwas Schlimmes – und ich bin schuld.” Diese Angst bindet Sie an die destruktive Dynamik.
Der Zyklus der Co-Abhängigkeit
- Krise: Der Betroffene verspielt Geld, Schulden entstehen
- Rettung: Sie springen ein, zahlen ab, regeln Probleme
- Erleichterung: Kurzfristig entspannt sich die Lage
- Hoffnung: Sie denken: “Jetzt wird alles besser”
- Wiederholung: Der Betroffene spielt erneut
- Neue Krise: Der Zyklus beginnt von vorn
Mit jeder Wiederholung wird das Muster stärker. Der Betroffene lernt: “Es wird schon jemand die Scherben aufsammeln.” Sie lernen: “Ich muss helfen, sonst passiert etwas Schlimmes.”
Der Weg aus der Co-Abhängigkeit: Wie Sie sich und dem Betroffenen wirklich helfen
Der Ausstieg aus co-abhängigen Mustern ist schwer, aber möglich und notwendig – für beide Seiten. Hier konkrete Schritte:
Schritt 1: Anerkennen Sie die Situation
Seien Sie ehrlich zu sich selbst:
- Erkennen Sie an, dass Sie in einer co-abhängigen Dynamik leben
- Akzeptieren Sie, dass Ihr bisheriges Verhalten nicht geholfen hat
- Verstehen Sie, dass Veränderung notwendig ist
Lassen Sie Scham und Schuld los: Co-Abhängigkeit ist keine Schwäche, sondern eine nachvollziehbare Reaktion auf eine extreme Belastung. Sie haben Ihr Bestes versucht. Jetzt ist es Zeit für einen neuen Weg.
Schritt 2: Verstehen Sie die Grenzen Ihrer Verantwortung
Was ist NICHT Ihre Verantwortung:
- Die Spielsucht des anderen zu heilen
- Seine Schulden zu bezahlen
- Sein Leben zu kontrollieren
- Ihn vor allen Konsequenzen zu schützen
- Sein Glück sicherzustellen
Was IST Ihre Verantwortung:
- Für Ihr eigenes Wohlbefinden zu sorgen
- Klare Grenzen zu setzen und zu wahren
- Sich selbst Unterstützung zu holen
- Eine gesunde Beziehungsdynamik einzufordern
Der entscheidende Satz: “Ich kann dich nicht retten, aber ich kann dich dabei unterstützen, dir selbst zu helfen.”
Schritt 3: Setzen Sie klare Grenzen
Grenzen zu setzen ist der wichtigste und schwierigste Schritt. Sie schützen damit sich selbst und geben dem Betroffenen die Chance, Verantwortung zu übernehmen.
Finanzielle Grenzen:
- “Ich zahle keine Spielschulden mehr ab.”
- “Ich leihe dir kein Geld mehr.”
- “Gemeinsame Konten werden getrennt.”
- “Ich übernehme keine Rechnungen mehr für dich.”
Emotionale Grenzen:
- “Ich höre zu, aber ich übernehme nicht deine Gefühle.”
- “Ich bin da für dich, aber ich lebe nicht für dich.”
- “Ich kann Mitgefühl haben, ohne deine Probleme zu meinen zu machen.”
Verhaltensbasierte Grenzen:
- “Ich lüge nicht mehr für dich.”
- “Ich kontrolliere dich nicht mehr.”
- “Ich akzeptiere keine verbale oder emotionale Gewalt.”
- “Wenn du spielst, übernachte ich bei Familie oder Freunden.”
Schritt 4: Kommunizieren Sie Ihre Grenzen klar
Wie Sie Grenzen mitteilen:
Wählen Sie den richtigen Zeitpunkt: Nicht in einer akuten Krise, sondern in einem ruhigen Moment.
Sprechen Sie ruhig und bestimmt: “Ich habe eine wichtige Entscheidung getroffen, die ich dir mitteilen möchte.”
Verwenden Sie Ich-Botschaften: “Ich werde ab sofort keine Schulden mehr abzahlen, weil ich gelernt habe, dass das dir nicht hilft.”
Bleiben Sie konkret: Nicht: “Du musst dich ändern.” Sondern: “Wenn du wieder Schulden machst, werde ich sie nicht bezahlen. Das ist meine Grenze.”
Hören Sie zu, aber verhandeln Sie nicht: Der Betroffene wird möglicherweise wütend, traurig oder manipulativ reagieren. Bleiben Sie standhaft. Ihre Grenzen sind nicht verhandelbar.
Schritt 5: Halten Sie Ihre Grenzen ein
Das Setzen von Grenzen ist leichter als das Einhalten. Der Betroffene wird Ihre Grenzen testen – bewusst oder unbewusst.
Typische Grenzüberschreitungsversuche:
- Betteln und Flehen
- Versprechen, dass es diesmal anders wird
- Drohungen (“Dann ist unsere Beziehung vorbei!“)
- Emotionale Erpressung (“Liebst du mich nicht mehr?“)
- Schuldgefühle (“Ich werde obdachlos/inhaftiert, wenn du nicht hilfst”)
Ihre Antwort: Bleiben Sie konsequent. Wiederholen Sie ruhig Ihre Grenze: “Ich verstehe, dass du verzweifelt bist. Aber meine Entscheidung steht fest. Ich helfe dir, indem ich dich ermutige, professionelle Hilfe zu suchen.”
Vorbereitung hilft:
- Schreiben Sie Ihre Grenzen auf
- Üben Sie Ihre Antworten
- Holen Sie sich Unterstützung von Freunden oder Therapeuten
- Erinnern Sie sich: Konsequenz ist Liebe, nicht Härte
Schritt 6: Ermutigen Sie professionelle Hilfe – ohne zu drängen
Was Sie tun können:
- Informationen über Beratungsstellen bereitstellen
- Anbieten, gemeinsam einen ersten Termin zu suchen
- Begleitung zu einem Erstgespräch anbieten (wenn gewünscht)
- Positive Veränderungsschritte anerkennen und unterstützen
Was Sie nicht tun sollten:
- Ultimaten stellen (“Therapie oder ich gehe”)
- Ständig über Therapie reden
- Termine für den Betroffenen machen, ohne zu fragen
- Ihn in eine Therapie zwingen wollen
Die Balance: Machen Sie das Angebot sichtbar und erreichbar, aber übernehmen Sie nicht die Verantwortung für den Schritt. Der Betroffene muss selbst entscheiden, Hilfe anzunehmen.
Schritt 7: Holen Sie sich selbst Unterstützung
Sie brauchen ebenso Hilfe wie der Spielsüchtige. Co-Abhängigkeit ist eine ernsthafte Belastung.
Angehörigengruppen: Selbsthilfegruppen speziell für Angehörige von Suchtkranken bieten Austausch, Verständnis und praktische Tipps. Sie sind nicht allein mit Ihrer Erfahrung.
- Anonyme Angehörige von Spielern (Gam-Anon)
- Angehörigengruppen bei Suchtberatungsstellen
- Online-Foren und Selbsthilfegruppen
Psychotherapie: Eine eigene Therapie kann Ihnen helfen:
- Co-abhängige Muster zu verstehen und aufzulösen
- Traumata und Verletzungen zu bearbeiten
- Selbstwert und Selbstfürsorge zu stärken
- Gesunde Beziehungsdynamiken zu lernen
Beratungsstellen: Suchtberatungsstellen bieten auch Beratung für Angehörige – oft kostenlos und anonym. Nutzen Sie diese Ressource.
Freunde und Familie: Brechen Sie das Schweigen. Sprechen Sie mit vertrauenswürdigen Menschen über Ihre Situation. Soziale Unterstützung ist essenziell.
Schritt 8: Kümmern Sie sich um sich selbst
Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern Notwendigkeit.
Praktische Selbstfürsorge:
- Nehmen Sie sich Zeit für Aktivitäten, die Ihnen guttun
- Pflegen Sie Freundschaften und Hobbys
- Achten Sie auf ausreichend Schlaf, Bewegung, gesunde Ernährung
- Gönnen Sie sich Pausen – auch von der Situation
Emotionale Selbstfürsorge:
- Erlauben Sie sich alle Gefühle – Wut, Trauer, Erschöpfung
- Führen Sie ein Tagebuch
- Praktizieren Sie Entspannungstechniken (Meditation, Yoga, Atemübungen)
- Suchen Sie Orte der Ruhe und Erholung
Finanzielle Selbstfürsorge:
- Schützen Sie Ihr eigenes Vermögen
- Trennen Sie Konten wenn nötig
- Legen Sie Notfallreserven an
- Holen Sie sich bei Bedarf Rechtsberatung
Besondere Herausforderungen und wie Sie damit umgehen
Wenn Kinder betroffen sind
Spielsucht in der Familie belastet auch Kinder massiv. Sie spüren die Spannungen, leiden unter finanzieller Unsicherheit und erleben möglicherweise emotionale Vernachlässigung.
Schützen Sie Ihre Kinder:
- Sprechen Sie altersgerecht über die Situation
- Machen Sie klar, dass sie nicht schuld sind
- Halten Sie Routinen und Stabilität aufrecht
- Suchen Sie auch für die Kinder Unterstützung (Kinderpsychologie, Familienberatung)
Vermeiden Sie:
- Kinder als Bündnispartner gegen den süchtigen Elternteil zu instrumentalisieren
- Sie mit finanziellen Details zu belasten
- Sie in Konflikte hineinzuziehen
Wenn der Betroffene Therapie ablehnt
Das ist eine der schmerzhaftesten Situationen. Sie sehen den Leidensdruck, doch der Betroffene will keine Hilfe.
Was Sie tun können:
- Bleiben Sie bei Ihren Grenzen
- Leben Sie Ihre eigene Genesung vor
- Seien Sie offen für den Moment, in dem Veränderungsbereitschaft entsteht
- Akzeptieren Sie, dass Sie niemanden zu seinem Glück zwingen können
Was Sie sich erlauben müssen: Wenn die Situation unerträglich wird und der Betroffene keine Hilfe annimmt, dürfen Sie auch über Trennung nachdenken. Sie sind nicht verpflichtet, in einer zerstörerischen Beziehung zu bleiben.
Wenn Sie den Verdacht haben, selbst co-abhängig zu sein
Co-Abhängigkeit kann auch dann wirken, wenn Sie selbst nicht mit dem Betroffenen zusammenleben – etwa bei erwachsenen Kindern oder Geschwistern.
Prüfen Sie:
- Kreist Ihr Leben um dessen Probleme?
- Vernachlässigen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse?
- Fühlen Sie sich verantwortlich für sein Verhalten?
- Übernehmen Sie regelmäßig finanzielle oder praktische Verpflichtungen für ihn?
Auch in diesen Konstellationen gelten die gleichen Prinzipien: Grenzen setzen, Verantwortung abgeben, sich selbst Unterstützung holen.
Häufige Ängste und wie Sie damit umgehen
“Wenn ich aufhöre zu helfen, wird er obdachlos/inhaftiert/nimmt sich das Leben”
Die Angst: Diese Sorge ist real und verständlich. Sie befürchten, dass ohne Ihre Hilfe etwas Schreckliches passiert.
Die Realität: Indem Sie die Konsequenzen abfedern, verhindern Sie paradoxerweise, dass der Betroffene die Schwere seiner Lage erkennt. Manchmal muss jemand “auf den Boden fallen”, um die Motivation zur Veränderung zu finden.
Der Mittelweg: Sie können emotionale Unterstützung bieten, Informationen über Hilfeangebote geben und Gesprächspartner sein – ohne finanzielle Rettung. Bei echter Suizidgefahr: Professionelle Krisendienste kontaktieren, nicht selbst die Verantwortung übernehmen.
“Ich liebe ihn doch – wie kann ich ihm dann nicht helfen?”
Die Angst: Grenzen zu setzen fühlt sich an wie Lieblosigkeit oder Aufgeben.
Die Realität: Wahre Liebe bedeutet manchmal, jemanden die Konsequenzen seines Handelns erfahren zu lassen. Indem Sie aufhören, die Sucht zu ermöglichen, helfen Sie tatsächlich – auch wenn es sich paradox anfühlt.
Die Wahrheit: Liebe und Grenzen schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Grenzen sind ein Ausdruck von Selbstrespekt und letztlich auch Respekt vor dem anderen, dem Sie zutrauen, Verantwortung zu übernehmen.
“Ohne mich bricht alles zusammen”
Die Angst: Sie haben das Gefühl, unverzichtbar zu sein. Wenn Sie aussteigen, fällt alles auseinander.
Die Realität: Das ist Teil der co-abhängigen Illusion. Der Betroffene ist ein erwachsener Mensch, der lernen kann (und muss), Verantwortung für sich zu übernehmen. Solange Sie das für ihn tun, wird er es nicht lernen.
Die Befreiung: Sie sind nicht verantwortlich für ein anderes Leben. Das ist eine enorme Erleichterung, wenn Sie sie zulassen können.
Zusammenfassung: Der Weg zu gesunden Beziehungen
Co-Abhängigkeit bei Spielsucht ist eine schmerzhafte, aber häufige Dynamik, die Angehörige und Betroffene gleichermaßen gefangen hält. Der Ausstieg erfordert Mut, Konsequenz und Unterstützung – aber er ist möglich.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Erkennen Sie die Muster: Co-Abhängigkeit zeigt sich in Rettungsversuchen, Kontrolle, Verantwortungsübernahme und Vernachlässigung eigener Bedürfnisse.
Verstehen Sie die Dynamik: Gut gemeinte Hilfe kann die Sucht ungewollt aufrechterhalten. Wahre Hilfe bedeutet, Grenzen zu setzen.
Setzen Sie klare Grenzen: Definieren Sie, was Sie tun und nicht tun werden. Kommunizieren Sie dies klar. Halten Sie konsequent durch.
Holen Sie sich Unterstützung: Sie brauchen ebenso Hilfe wie der Betroffene. Angehörigengruppen, Beratung, Therapie – nutzen Sie alle Ressourcen.
Kümmern Sie sich um sich selbst: Ihre Gesundheit, Ihr Wohlbefinden, Ihr Leben sind genauso wichtig. Selbstfürsorge ist keine Egoismus, sondern Grundlage für alles andere.
Lassen Sie Verantwortung los: Sie können niemanden retten. Sie können Unterstützung anbieten, aber der Betroffene muss seinen eigenen Weg gehen.
Nächste Schritte:
- Suchen Sie eine Angehörigengruppe: Gam-Anon oder Angehörigengruppen bei Suchtberatungsstellen
- Informieren Sie sich weiter: Bücher, Websites, Beratungsstellen zu Co-Abhängigkeit
- Ziehen Sie professionelle Beratung in Betracht: Einzel- oder Paartherapie
- Beginnen Sie mit kleinen Schritten: Eine Grenze setzen, eine Aktivität für sich selbst planen
- Seien Sie geduldig mit sich: Veränderung braucht Zeit
Denken Sie daran: Indem Sie aus der Co-Abhängigkeit aussteigen, helfen Sie nicht nur sich selbst, sondern geben auch dem Betroffenen die Chance, Verantwortung zu übernehmen und wirkliche Veränderung zu erreichen. Das ist keine Härte, sondern ein Akt der Liebe – für Sie beide.
Weitere hilfreiche Artikel:
- Spielsucht Angehörige – Wie Sie als Partner helfen können
- Rückfall bei Spielsucht – Prävention und Umgang
- Spielsucht Selbsthilfe – Wirksame Strategien und praktische Tipps
Wichtige Kontakte:
- BZgA-Beratungshotline: 0800 1 37 27 00 (kostenlos, anonym)
- Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (24/7)
- Gam-Anon (Angehörige): Informationen unter www.gam-anon.de
Sie haben das Recht auf ein eigenes Leben. Sie haben das Recht auf Grenzen. Sie haben das Recht, sich selbst zu schützen. Machen Sie heute den ersten Schritt.
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